Interessengemeinschaft
COMING HOME
zum
Erhalt des echten Bearded Collies
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Besonders wenn
Autos in der Nähe sind
und ein Hund nicht
sicher gehorcht,
darf er nicht von
der Leine gelassen werden!!!
Manch ein Hund
lernt es nie oder wird nicht ausreichend trainiert.
Dann gehört er an eine
lange Leine („Schleppleine“, „Feldleine“), damit kein Unglück geschieht.
Wenn ein Beardie erst einmal
losrennt,
ist er nur schwer zu
stoppen.
Beim Beardie kommt
der Hütetrieb hinzu:
Manche Beardies
sind ganz verrückt danach, Autos zu „hüten“,
sprich: sie zu
umkreisen und ausgerechnet vor die Autos zu laufen, um sie zu „stellen“ –
wie eine Herde
Schafe.
Manche versuchen
auch, in die Reifen von fahrenden Autos, Fahrrädern usw. zu beißen.
Dabei kann es zu
gefährlichen Unfällen kommen.
Ein Jogger, der
„gehütet“ wird, kann sich angegriffen fühlen,
wenn ein Beardie
laut bellend um ihn herumspringt, um ihn zu stoppen.
Oder der Jogger
kommt gar zu Schaden: stolpert,
wird evtl. – wenn
auch selten – in Fersen oder Beine gebissen
(der Biss zum
Festhalten von Vieh ist bei Beardies unerwünscht).
Alles, was sich
bewegt, kann einen Beardie in den Hütemodus
versetzen,
der ihm sagt:
„Jetzt musst du arbeiten!“
Hundehalter, die
sich mit Beardies nicht auskennen,
können dieses
Verhalten mit Aggression verwechseln.
Auf was für Ideen Bearded Collies kommen …
Einer wurde vom
Traktor überrollt, den er hüten wollte.
Ein anderer
versuchte, in der Nähe von Bahngleisen einen fahrenden Zug einzufangen.
Man muss immer wachsam sein
und mit allem rechnen!
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Manch einen
Beardie sieht man neben einer befahrenen Straße laut bellend an der straffen
Leine.
Manch ein Besitzer
hält seinen Hütehund dann für aggressiv, doch das ist er nicht;
er wird nur daran
gehindert, das zu tun, wofür er gezüchtet wurde und was in ihm steckt.
Viele Besitzer
verzweifeln an dieser „Macke“,
die eigentlich ein
rassetypisches Verhalten ist und durch Selektion gefestigt wurde.
Hüten macht einen Hütehund schlicht glücklich.
Dadurch ist es
sehr schwierig, solch ein Verhalten „auszumerzen“ –
schon gar nicht auf Knopfdruck mit Angst
auslösenden Geräten!!!
Angeborenes
Verhalten
kann man durch
Zwang höchstens unterdrücken
– es ist nie ganz
weg –,
was einer
Vergewaltigung der Seele gleichkäme
und ständige Angst
vor Strafe zur Folge hätte.
Umlenken des
Verhaltens ist eine bessere Alternative.
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Den Hund umprogrammieren, wie geht das?
Das
Objekt, über das der Hund sich aufregt, soll zum Auslöser für vorbildliches
Verhalten werden.
Ähnlich
kann man auch bei Objekten vorgehen, die Angst auslösen, z. B. bei großen
Baumaschinen.
·
Sieht man eine gefürchtete
Situation auf sich zukommen (einen Jogger, ein Fahrzeug usw.),
hält man
unbedingt die Leine locker.
Schon allein die
Spannung der Leine kann Bellen, Springen und Zerren an der Leine auslösen.
Also cool
bleiben und keinesfalls denken: „Gleich dreht er wieder durch!“
·
Möglichst erfasst man die
Lage vor dem Hund.
Man muss also
aufpassen (die Aufmerksamkeit nicht aufs Handy richten)
und sich sofort
wortlos umdrehen. Der Hund folgt an der Leine.
Auf das richtige Timing kommt es
an:
Peilt der Hund den Auslöser
bereits an und will losspringen,
ist es zu spät, seine
Aufmerksamkeit zu bekommen.
·
Nun zeigt man ihm sofort
sein Lieblingsleckerli, wieder ohne Worte.
Bei den
Spaziergängen hat man jetzt immer ein paar davon in der Tasche.
Der Hund bekommt
dieses besondere Leckerli in Zukunft nur noch in solchen Situationen.
Gibt es kein
besonderes Leckerli, führt man bereits zu Hause etwas ganz Neues ein:
z. B.
getrocknete Streifen von Huhn oder Ente, ein Stück getrockneten Pansen,
gekochte
Hühnerherzen oder halbfeuchte Ringe (nicht unbedingt das Gesündeste,
aber viele Hunde
mögen sie, für diese Ausnahmesituation ist es okay).
·
Wichtig ist, ruhig und
entspannt zu bleiben.
Wer als
souveräne Führungspersönlichkeit anerkannt werden will,
wird nicht hektisch,
schimpft und schreit nicht, ruckt auch nicht böse an der Leine.
·
Der Hund soll ebenso ruhig
beim Menschen warten, bis der Auslöser vorbei ist.
·
Falls er sich trotz des in
Aussicht gestellten leckeren Happens aufregt
(bei den ersten Versuchen muss
man damit rechnen), bekommt er nichts.
Wortlos steckt man das Leckerli wieder ein und geht weiter.
Das hat der Hund
nach ein paar Versuchen begriffen.
Er versteht,
dass es seine eigene Entscheidung ist, was ihm wichtiger ist,
die Aufregung
oder das Leckerli. Meistens entscheiden Hunde sich für das Leckerli.
·
Es kommt vor, dass der Hund
dem Jogger, Auto usw. noch nachbellen will.
Beim nächsten
Mal wartet man also etwas länger, bis der Reiz schwächer geworden ist,
und gibt dem
Hund das Leckerli, wenn er seinen Besitzer wieder ansieht.
·
So wird das Hüteobjekt nicht zum Auslöser für Aufregung,
sondern zum Auslöser
für eine Belohnung und für erwünschtes Verhalten.
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Diese
Methode ist vielfach erprobt.
Wir
haben oft erlebt:
Ein Hund,
der das verstanden hat,
-
nimmt
das Objekt (Fahrzeug usw.) wahr,
-
wendet
sich seinem Menschen zu,
setzt sich sogar hin, wenn er weiß,
dass er ohne „Sitz“ nichts bekommt,
-
sieht
seinem Besitzer in die Augen und bittet um das Leckerli.
Aus
Aufregung ist dann eine freudige Erwartung geworden.
Mit
der Zeit kann man auf die leckeren Happen verzichten.
Man
lobt den Hund meistens nur noch,
gibt
ihm aber trotzdem ab und zu bei solchen Gelegenheiten etwas –
„Lotto-Prinzip“:
Er wird immer darauf hoffen und hat manchmal Glück.
Nach
und nach kann auch das Lob wegfallen, denn erwünschtes Verhalten wird zur
Normalität.
Nur
noch „für Notfälle“ hat man ein paar Leckerlis in der Tasche.
Diese Beardies – und auch
die jagdeifrigen Foxterrier –
sind auf einen speziellen
Pfiff trainiert, der besondere Leckerlis verspricht.
Die Hand in der Jackentasche
dient als zusätzliches Sichtzeichen.
Doch Vorsicht: Hütetrieb (und
Jagdtrieb) ist oft stärker als der Appetit!
Bei Freilauf
ist ein Beardie schnell über alle Berge,
wenn er in der
Ferne etwas erspäht hat, das er einfangen möchte –
sei es eine Katze,
ein Schwarm rastender Vögel, spielende Kinder oder ein Auto, das „flieht“.
Dank seiner
Windhund-Ahnen (Deerhound = Sichtjäger) kann er
weit gucken.
Wir beobachten
deshalb beim Spaziergang, was sich in der Ferne tut,
und gleichzeitig
beobachten wir unseren Beardie:
Seine Haltung
zeigt uns an, dass er etwas entdeckt hat.
In diesem Moment
haben wir noch eine Chance, ihn zurückzurufen.
Einen Moment
später kann es zu spät sein.
Wenn ein Beardie
erst einmal losrennt, ist er kaum noch zu bremsen.
Wenn er so guckt, hat er
etwas entdeckt.
Höchste Alarmstufe!
Sofort rufen und anleinen,
denn gleich wird er durchstarten.
Theorie und Praxis
Eine erfahrene Beardie-Besitzerin
hatte Besuch von einer Freundin und ihren Bearded Collies. Sie machten
einen Spaziergang durchs Neubaugebiet, wo hin und wieder ein Auto fuhr. Die
Hunde blieben angeleint auf dem Bürgersteig. Als wieder einmal ein Fahrzeug
kam, schoss einer der Besucherhunde aus heiterem Himmel auf die Straße.
Die Gastgeberin konnte nur noch: „Mein
Gott!“ rufen. So etwas hatte sie bisher nur gehört (und kaum glauben
mögen), aber noch nicht erlebt. Die Besitzerin reagierte zum Glück
blitzschnell, sie kannte das schon.
Ein Unfall kann
schnell passiert sein!
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Experten meinen:
Es geht darum, den
Kleinen niemals auf den Geschmack kommen zu lassen –
wie bei einem
Hund, der nicht wildern soll,
und der deshalb
nicht ein einziges Jagd-Erfolgserlebnis haben darf.
„Was er nicht
kennt, wird er nicht missen“, so lautet die Theorie.
In der Praxis
sieht das etwas anders aus.
Schon der Reiz
eines vorbeifahrenden Autos ist für manche Bearded Collies sehr stark.
Oder der Reiz
eines Joggers, eines flüchtenden Kaninchens usw.
Ein Beardie, der
aufs Hüten versessen ist, will nur eins: hinterher und einfangen!
Das gibt ihm seine
Genetik vor – und damit ist es kein Fehlverhalten,
sondern lediglich
ein unerwünschtes Verhalten.
Der Unterschied
zum Jagdtrieb besteht nur darin,
dass Hütehunden
die letzte Sequenz des Jagens abgezüchtet wurde:
das Töten.
Hinsehen!
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Eher die überzüchteten Beardies
zeigen solch ein Verhalten.
Das mag merkwürdig
erscheinen,
denn eigentlich geht
man bei ihnen eher von gemindertem Hütetrieb aus.
Vermutlich liegt
die Ursache darin,
dass Beardies vom
alten Typ insgesamt gelassener sind,
cool und überlegt
handeln, nicht überstürzt
(höhere
Reizschwelle).
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Das schönste Fotomotiv
rechtfertigt es nicht,
an der Straße leichtsinnig
zu werden!
Kein Junghund gehorcht 100 %
zuverlässig.
(Herrchen hockt hinter dem
Stamm und hält die Leine.)
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Übung an der Straße
Beim jungen Hund
beginnen wir damit,
dass er an einer
Straße ruhig sitzen bleiben soll.
Wir suchen dafür
zunächst eine wenig befahrene Straße auf,
damit die Reize
sich in Grenzen halten.
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Der Hund wird an die Bordsteinkante gesetzt.
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Man hockt sich hinter ihn
und dreht die Füße ein wenig nach außen (wie ein V),
so dass der junge Hund im Winkel der Füße sitzt.
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Dann legt man beide Hände flach vor seine Brust. Das gibt ihm
Sicherheit.
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Wenn ein Auto kommt, sagen wir in aller Ruhe: „Auuutoooo
...“
Beim nächsten Fahrzeug wieder: „Auuutoooo
...“
So sorgen wir für Gelassenheit und zeigen dem Hund,
dass er bei Verkehr nicht auf die Straße darf.
(Diese Übung ist auch gut geeignet bei Angst vor Autos.)
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Bleibt der Kleine ruhig sitzen,
gehen wir ein Stückchen vom angeleinten Hund weg
und
üben weiter mit „Sitz – Bleib!“.
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Bei
Spaziergängen
darf
es nicht eine einzige Ausnahme geben –
auch
nicht,
wenn
weit und breit kein Auto zu sehen ist.
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Man kann auch Sitzen
an der Bordsteinkante verlangen,
ein Verhalten, das
sich später automatisiert: Der Bordstein wird zum Sichtzeichen,
da braucht man gar
nichts mehr zu sagen, der Hund setzt sich von selbst.
Die Straße
betreten und überqueren darf er erst,
wenn wir das
Signal dazu geben: „Rüber!“ + richtungsweisender Fingerzeig.
Am besten
trainiert man beides,
„Sitz!“ und
„Steh!“ (oder „Stopp!“)
Im Winter ist es
angenehmer für den Hund, wenn er sich nicht setzen muss.
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Vorbildlicher Junghund:
stehen bleiben – sich
umsehen,
auf „Rüber!“ warten (an
der langen Leine).
Wie gut, dass Beardies
sich ohnehin gern
nach ihren „Schäfchen“
umsehen!
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Hier ist er etwas älter.
Er setzt sich über die Grenze hinweg,
weil er etwas entdeckt
hat.
Das darf man nicht
durchgehen lassen!
Alle 4 Pfoten gehören auf
den Bürgersteig!
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Es gibt Beardies,
die derart arbeitswillig – oder inkonsequent erzogen – sind, dass sie ein
„Bleib“, „Nein“ oder „Stopp“ am Bordstein nicht respektieren, vor allem, wenn
sie noch jung und ungestüm sind oder wenn sie sich gerade in der Flegelphase
befinden und ihre Grenzen austesten.
Dann heißt es:
tüchtig üben!
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Vor allem
bringen wir dem Hund bei, dass er im Alltag unsere Wünsche zu respektieren
hat: Jede Anweisung muss befolgt werden. Dafür sorgen wir mit Konsequenz –
natürlich auf sanfte Art, ohne Härte.
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Wir üben „Platz – Bleib“ und „Sitz – Bleib“, zunächst ohne Autos, z.
B. auf einer Wiese.
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Wenn das klappt, üben wir, um den Hund
herumzugehen, während er liegen bleibt.
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Nächster Schritt: um ihn herumrennen – der
Hund bleibt gelassen.
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Nächster Schritt: mit Spielzeug in der Hand
um ihn herumrennen.
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Nächster Schritt: Spielzeug werfen, während
er bleibt – das Spielzeug darf er sich erst holen, wenn man ihm ein
Signal dazu gibt, z. B. „Hol's dir!“ Auf dem
Hundeplatz verwendet man noch manchmal „Fass!“, aber für den Privatgebrauch
klingt „Hol’s dir!“ schöner. Ein deutlicher
Fingerzeig in Richtung Spielbeute wird zum unterstützenden
Sichtzeichen.
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Dann üben wir, dass der Hund sich das
Spielzeug nicht jedes Mal holen darf. Stattdessen kann man eine andere
Anweisung geben, z. B. „Bei Fuß!“ (das Spielzeug nimmt man im Vorbeigehen
an sich). Dabei lernt der Hund, dass nicht er entscheidet, welche Beute er
haben darf – auch Autos sieht er als Beute (so wie auch Schafe beim Hüten
letzten Endes Beute sind). So bekommt man langsam seinen Drang, etwas
verfolgen zu wollen, unter Kontrolle.
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Nun wiederholen wir das Ganze im „Sitz“.
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Noch schwieriger wird es, wenn der Hund bei
diesen Reizen stehen und dableiben soll.
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Schließlich kann man eine Reizangel
herstellen:
An einen langen Stock (z. B. Besenstiel
oder Garten-Pflanzstab)knotet man ein 2 – 3 m langes, festes Band und
an dessen Ende einen Stoff- oder Lederlappen. Man kann auch einen Ball
daran befestigen, der schon an einem Band hängt (gibt's im Zooladen). Der Hund bleibt im „Platz – Bleib“, das
Spielzeug an der Angel hüpft vor ihm auf und ab, nur ein klein wenig
(soweit der Hund dabei liegen bleibt), später immer mehr, schließlich
wirbelt man es rundum – und der Hund liegt immer noch! Erst wenn das
Spielzeug wieder eine Weile ruhig am Boden gelegen hat, gibt man das Signal
zum Loslaufen („Hol's dir!“ mit
Sichtzeichen). Das üben wir dann ebenso mit dem sitzenden, später
stehenden Hund. So lernt er, dass er nur dann lossprinten darf, wenn man es
ihm erlaubt – egal, ob eine Beute (auch ein Auto!) sich bewegt oder nicht.
Damit lässt sich das Nachjagen bannen.
Reizangeln gibt es inzwischen fertig zu
kaufen, auch mit zusammenschiebbarem Stab, so dass man die Angel leicht zu
einer Trainingswiese mitnehmen kann.
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Das alles ist ein
Stück Arbeit, aber wenn man täglich übt, müsste ein einigermaßen gescheiter Beardie
es innerhalb von wenigen Wochen verstanden haben. Sogar Jagdhunde können das
lernen – wichtig für Freilauf im offenen Gelände, damit sie nicht
eigenmächtig auf Hasenjagd gehen. Somit ist es auch für jeden Familienhund,
der von der Leine gelassen werden soll, eine sehr sinnvolle Übung.
Lerntipp
Die Reizangel-Übung stammt aus der Jagdhundausbildung,
eindrucksvoll demonstriert auf der DVD
„Der
brauchbare Jagdhund: Im Feld“ von Anton Fichtlmeier.
Wild anzeigen beim
Waldspaziergang
Jetzt ist der Zeitpunkt zum
Reagieren, sonst ist der Hund gleich auf und davon!
(Dieser Beardie ist zur
Sicherheit noch an der Schleppleine.)
Für Profi-Trainer in der Hundeschule ist
Jagd- und Hüteverhalten eine harte Nuss.
Sie schwören dabei oft auf Strafreize und setzen
z. B. Sprühhalsbänder ein –
wenn nicht gar Schlimmeres.
Früher galten Elektroschock-Geräte („Teletakt“) als Mittel der Wahl
gegen unerwünschtes Jagdverhalten.
Das Tierschutzgesetz macht heute zum Glück
Einschränkungen.
Sprühhalsbänder und dergleichen zerstören das Vertrauen!!!
Sie führen zu Stress, den der Hund anderweitig abreagieren
wird,
z. B. durch Pfotenknabbern oder
Durchfall – und schon hat man das nächste Problem!
Es kann auch leicht zu Fehlverknüpfungen kommen,
etwa wenn zufällig zum Sprühzeitpunkt ein Flugzeug flog –
der Hund hat dann plötzlich Angst vor Flugzeugen.
Früh übt sich!
Auch auf Feldwegen fahren
manchmal Autos
oder die Straße ist recht
nah.
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Am
Rande bemerkt:
Unbedingt vom ersten Spaziergang an bringen wir dem jungen Hund
bei,
unter allen Umständen an der Bordsteinkante stehen oder sitzen zu
bleiben.
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Wir erhielten eine eindrucksvolle Abhandlung einer
renommierten Hundetrainerin, die jeder gelesen haben sollte, der mit dem
Gedanken an Sprühhalsbänder und dergleichen spielt:
Köpfchen statt
Knöpfchen...
...das gilt auch für die viel gepriesenen Sprühhalsbänder,
die in verschiedenen Ausführungen den Markt erobert haben. Spätestens seit
uns Hundenanny Katja Geb-Mann
allwöchentlich im deutschen Fernsehen vorführt, wie jeder Hund, ganz gleich
welches Problem er seinen Haltern vermeintlich oder tatsächlich bereitet, mit
Einsatz einer Fernbedienung in das Verhalten gepresst werden kann, das
Herrchen oder Frauchen beliebt, finden die Halsbänder, die einen angeblich
völlig harmlosen Spraystoß von sich geben, steigenden Absatz.
Doch schon der gesunde Menschenverstand lässt einen aufhorchen, wenn
Hersteller und Anwender behaupten, dass der jederzeit auszulösende Sprühstoß
für den Hund „gar nicht schlimm“ sei. Da fragt man sich doch selbst nach nur
kurzem Nachdenken, wie es denn möglich sein soll, instinktive, genetisch
fixierte Verhaltensweisen wie zum Beispiel das Jagdverhalten durch etwas zu
unterdrücken, das dem Hund gar nichts ausmacht?! Dem Hundehalter wird generös
angeboten, das Gerät doch selbst mal in die Hand zu nehmen oder um den Hals
zu legen, während der Trainer den Auslöser betätigt... Und tatsächlich, so
schlimm war das doch gar nicht. Ein kurzes „Zischhhh“
mit etwas feucht-kalter Luft. „Ja“, bestätigt der überzeugte Hundehalter,
„das war gar nicht schlimm.“ Was Hersteller und Trainer jedoch geflissentlich
verschweigen (aus Unwissenheit oder in betrügerischer Absicht?!), ist die
Tatsache, dass plötzlich auftretende, nicht eindeutig zuzuordnende Zischlaute
beim Hund als Angst auslösende, sogar lebensbedrohliche Laute abgespeichert
sind, bei denen sofort die Flucht ergriffen werden muss. Jeder kennt den
Anblick eines Hundes, der sich selbst im Körbchen `zig mal um die eigene
Achse dreht, bevor er sich schließlich gemütlich niederlegt. Es handelt sich
bei dieser Verhaltensweise um ein Erbe aus den Zeiten, in denen der Hund noch
weitgehend draußen in Freiheit lebte. Bevor er sich hinlegte, drehte er sich
mehrfach im Gras oder Laub, um die ausgesuchte Liegestelle als ungefährlich
abzusichern. Sollte beim Drehen ein Zischlaut (zum Beispiel von einer
Schlange) zu hören sein, würde er sich durch einen Sprung zur Seite in
Sicherheit bringen. Biologisch sinnvoll... Und diesen genetisch fixierten,
Angst auslösenden Zischlaut bringen wir Menschen nun in den unmittelbaren
Kopfbereich Des Hundes! Und drücken vielleicht gleich mehrfach das
Auslöseknöpfchen, worauf der Hund ganz leicht nicht nur in Angst, sondern
sogar in Panik versetzt werden kann – ohne die Möglichkeit, sich durch die
Flucht zur retten!
Eigentlich ist dieser Umstand allein schon Grund
genug, niemals zu erlauben, dass einem uns anvertrauten Lebewesen ein solches
Gerät angetan (im wahrsten Sinne Des Wortes!) wird. Es gibt aber noch mehr
Probleme:
Der Hund weiß nie, wann und vor allem warum der Sprühstopp ausgelöst wird,
befindet sich also in ständiger Erwartungsunsicherheit. Wer wissen möchte,
wie sich das anfühlt, dem empfehle ich folgendes Eigenexperiment, das nicht
in Anwesenheit eines Hundes durchgeführt werden sollte, damit dieser nicht
unnötig verunsichert wird: Bitten Sie ein Familienmitglied oder einen Freund,
Sie wirklich stark zu erschrecken, zum Beispiel durch einen lauten Schrei
oder dadurch, dass er plötzlich die Stereoanlage zu voller Lautstärke
aufdreht oder zwei Töpfe aufeinander schlägt, wenn Sie gerade überhaupt nicht
damit rechnen, sich zum Beispiel entspannt im Sessel zurücklehnen oder gerade
mit Freunden Karten spielen. Das Experiment sollte mindestens mehrere
Stunden, am besten ein oder zwei Tage dauern und der Schreckreiz sollte in
dieser Zeit mehrfach ausgelöst werden – ohne dass Sie wissen, wann dies sein
wird. Sie werden merken, dass der eigentliche Reiz, wenn er dann endlich
auftritt, bei weitem nicht so schlimm zu ertragen ist, wie die zermürbende
Warterei auf ihn. Obwohl man ihn fürchtet, wünscht man ihn schon beinahe
herbei in der Hoffnung, dann wieder eine Weile Ruhe zu haben, was aber nicht
so ist, da er kurz nach dem Auftreten ein zweites oder drittes Mal ausgelöst
wird und dann wieder stundenlang gar nicht, ganz wie es Ihrem Helfer beliebt.
Keine angenehme Vorstellung, nicht wahr?!
Aber es gibt noch weitere Probleme. Gleich mehrere ergeben sich aus der
Tatsache, dass Hunde über gedankliche Verknüpfung lernen. Trägt der Hund das
Halsband und erhält den Sprühstoß, wenn er zum Beispiel auf mehrfachen Zuruf
nicht kommt, so möchte der Mensch ihm damit zeigen, dass er dafür mit
Schreckreiz bestraft wird, dass er ungehorsam ist. Es kann aber gut sein,
dass er in genau diesem Moment zu einem kleinen Kind, einem Jogger oder einem
anderen Hund schaut – und den Strafreiz damit verbindet. Das Ergebnis ist
dann ein Hund, der noch immer nicht besser auf Abruf reagiert, dafür aber
Ängste, evtl. sogar durch die Angst ausgelöste Aggressionen, gegen das
entwickelt, was er gerade sah. Die Hundehalter sind dann ratlos, weil ihr
Hund „plötzlich“ kleine Kinder meidet oder Jogger anknurrt, mit denen er doch
bisher bestens auskam. Viele solcher Beispiele finden sich in meiner
Hundeschule ein, erst kürzlich ein Rhodesian Ridgeback Rüde, dessen
Sprühhalsband immer ausgelöst wurde, wenn er zum Wildern durchbrennen wollte.
Bei diesen Spaziergängen war allerdings auch immer seine Gefährtin, der
Zweithund der Familie, anwesend. Die Halter kamen nun nicht wegen des
unerwünschten Jagdverhaltens zu mir in die Hundeschule, mit dem sie sich
inzwischen abgefunden hatten, sondern weil der Rüde seit Wochen die Nähe der
Hündin mied. Immer wenn diese den Raum betrat oder sich, so wie früher, zu
ihm kuscheln wollte, verließ er mit ängstlichem Gesichtsausdruck das Zimmer
und das konnte man sich nicht erklären... Was hatte man diesen beiden Hunden
angetan! Welche Gefühle wurden in den Tieren ausgelöst?! Der Rüde hatte nun
Angst vor seiner Gefährtin, die er früher heiß und innig liebte, während
diese nicht verstehen konnte, weshalb er, der vorher immer leidenschaftlich
mit ihr spielte und tobte, sie jetzt mied. Die gleiche Trainerin, die den
Einsatz des Sprühhalsbandes empfohlen hatte, empfahl jetzt übrigens, einen
der Hunde abzugeben, weil die Tiere sich unterschiedlich entwickelt hätten
und einfach nicht mehr gut zueinander passen würden. Die Ängste des Rüden
erklärte sie über die angeblich dominante Ausstrahlung der Hündin. Man könnte
weinen, wenn Hunden mit einem solchen Schicksal gegenüber steht – oder es
packt einen einfach nur die Wut.
Die Probleme gehen noch weiter, denn nichts
generalisiert sich bei Hunden so schnell, wie Geräuschangst. Nicht nur dieser
Rüde, sondern auch zahlreiche andere Hunde entwickeln nach Einsatz des
Sprühhalsbandes Ängste vor allen möglichen Geräuschen. Das Öffnen einer
kohlsäurehaltigen Getränkeflasche, das Zischen von heißem Fett in der Pfanne,
Knall- und Schussgeräusche, die dem Hund vorher egal waren, versetzen ihn
jetzt in Angst und Schrecken. Der oben erwähnte Ridgeback Rüde zum Beispiel
verzog sich mit eingezogener Rute unter den Tisch des Besprechungsraums, als
ich eine Wasserflasche öffnete. Dies tat ich nicht, weil ich Durst hatte –
trauriger Weise gehört es inzwischen schon fast zum Standardprogramm beim
ersten Kennenlernen und Analysieren eines mir vorgestellten Hundes
auszutesten, ob er schon mit Sprühhalsband gearbeitet wurde und welche Wunden
dies an seiner Seele hinterlassen hat. Die Halterin war auch sehr erstaunt,
als ich ihr nach dem „Flaschentest“ auf den Kopf zusagte, dass an ihrem Hund
sicher schon mit Sprühhalsband gearbeitet worden war. Das wollte sie mir
eigentlich gar nicht erzählen, weil sie schon gehört hatte, dass ich gegen
den Einsatz dieser Geräte bin. Nachdem ich sie auf die Reaktion ihres Hundes
hingewiesen hatte, war sie sehr betroffen. Und wütend, nachdem ich ihr
erklärte, weshalb ihr Rüde jetzt Angst vor der Hündin und vor allen möglichen
Geräuschen hatte. Wütend auf die Trainerin, die sie auf diese „unerwünschten
Nebenwirkungen“ nicht aufmerksam gemacht, sondern immer erklärt hatte, wie
harmlos der Einsatz des Gerätes sei. Für mich stellt sich die Frage, ob
Kollegen, die es einsetzen, um diese Nebenwirkungen nicht wissen, oder ob sie
diese bewusst verschweigen, weil kaum jemand bereit wäre, den Einsatz zu
erlauben, wenn sie bekannt wären. Und ich stelle mir die Frage, was von
beiden eigentlich schlimmer ist...
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Last not least gibt es Probleme mit der Technik. Es soll schon vorgekommen
sein, dass das Gerät durch andere Funkfrequenzen oder sogar die Fernbedienung
eines in der Nähe befindlichen Halsbandes an einem anderen Hund ausgelöst
wurde. Der Strafreiz wird dann also einem Hund verabreicht, der einfach nur
herumsteht oder gerade spielt oder sonst etwas tut. Das steigert die
Erwartungsunsicherheit natürlich noch mehr und erhöht die Trefferquote auf
Fehlverknüpfungen immens. Zusätzlich löst es nicht immer zuverlässig aus,
kann zum Beispiel durch Wetterlagen mit feuchter Luft (Nebel, Regen)
verzögert oder gar nicht reagieren. Schließlich zeigt es auch nicht an, wann
die Batterie leer ist, wodurch es passieren kann, dass der Auslöser gedrückt
wird und nichts geschieht. Dann käme man durch das Ausbleiben des Strafreizes
(wenn der Hund denn überhaupt verstanden hätte, wofür er eigentlich bestraft
werden soll) in den Bereich der variablen Bestätigung, was das unerwünschte
Verhalten sogar noch verstärkt. Der Hund würde nämlich lernen, dass er das
Verhalten nur immer wieder zeigen muss, bis er schließlich wieder zum Erfolg
(in diesem Fall das Ausbleiben des Strafreizes und die erfolgreiche
Durchführung des Verhaltens) kommt.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Sprühhalsbänder sind ganz
und gar nicht harmlos, im Gegenteil sogar sehr gefährlich. Manche Hunde
werden durch sie so verunsichert, dass sie in die so genannte erlernte
Hilflosigkeit fallen, was zur Folge hat, dass sie kaum noch Aktionen zeigen
oder Handlungen anbieten, weil sie in ständiger Angst vor dem für sie
unkalkulierbaren Strafreiz leben. Um diesen Tieren – und ihren verzweifelten
Haltern – zu helfen, braucht es ein meist lang angelegtes, gut durchdachtes
Training, das den Hund aus dieser erlernten Hilflosigkeit und seinen
vielfältigen Ängsten wieder herausholt.
Sprühhalsbänder gaukeln dem Hundehalter vor, mal eben schnell per
Fernbedienung eine Lösung für vermeintliche oder tatsächlich entstandene
Probleme zu haben. Aber so einfach ist das nicht. Hunde sind uns anvertraute,
fühlende und denkende Lebewesen, die nicht beliebig manipulierbar sind und
deren Lernverhalten sich von dem unseren ganz erheblich unterscheidet. Ich
kann deshalb nur dringend empfehlen, jeden Ausrüstungsgegenstand und jede
Methode, der/ die durch Hersteller oder Trainer empfohlen wird, vor Anwendung
am Hund genau zu prüfen, sich gut zu informieren und im Zweifelsfall nach dem
guten alten Motto zu entscheiden, das auch für unsere Hunde gelten sollte:
Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem anderen zu.
© Clarissa v. Reinhardt
animal learn
P.S.: Hiermit lade ich alle Hundefreunde ein, bei der Verbreitung dieses
Textes zu helfen. Ich erlaube als Autorin ausdrücklich, ihn (vollständig und
unverändert und unter Nennung der Quelle) auf anderen Homepages zu
veröffentlichen, auszudrucken und zu verteilen oder auf ihn hinzuweisen. Je
mehr Menschen um die Tücken und Gefahren des Sprühhalsbandes wissen, je mehr
Hunden bleibt dessen Anwendung – hoffentlich – erspart. Ein herzliches DANKE
an jeden, der diesen Text weiter gibt.
Buchtipp
„Stress bei Hunden“
von Martina Nagel und Clarissa v. Reinhardt
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Am
Rande bemerkt:
Ähnliche Auswirkungen
haben auch Schreckmittel wie Rasseldosen und
scheppernde Scheiben!
Alles, was Angst auslöst, führt nicht zu echtem Gehorsam,
sondern nur zu Angst vor Strafe.
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