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Arbeitsbeardie ein Hund für alle Fälle |
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Allgemeine Infos zum Bearded Collie: Auf der Seite der Bearded Collies |
Der eine oder andere
Familienbeardie zeigt seine
Arbeitstauglichkeit noch im Alltag: Beim Spaziergang umkreist er die Familie und hält sie zusammen
– hütet sie. Manchmal wird
beobachtet, dass Schafe/Rinder einen Hund „magisch“ anziehen. Im Garten oder in der
Wohnung trägt er all seine Spielzeuge in eine Ecke (dabei nimmt er manchmal sogar mehrere auf
einmal in die Schnauze), legt sich dazu und bewacht sie. In Heimtieren sieht
er keine Beute (Katzen, Kaninchen, Hamster). Er spielt zwar mit ihnen Fangen, leckt sie am
Ende aber höchstens ab (Hütetrieb = Jagdtrieb ohne Tötungssequenz). Garantieren kann das allerdings niemand, erst recht bei Überzüchtung, wenn der
natürliche Instinkt fehlt. Nahezu einzigartig
ist die Veranlagung
des Bearded Collies als Arbeitshund. Kaum eine andere
Rasse vereint in sich alle drei Eigenschaften der Herdengebrauchshunde: 1. Hüten 2. Treiben 3.
Bewachen/Schützen Die meisten
Arbeitshunde der Schäfer sind Spezialisten. Sie können hüten, aber nicht
treiben und schützen (Border
Collie, Pyrenäenschäferhund usw.) oder schützen, aber nicht
hüten (große, meist helle Herdenschutzhunde vom Molosser-Typ). Der Bobtail kommt dem
Bearded Collie dabei noch am nächsten (mit Ausnahme des
Berner Sennenhundes und des Rottweilers – wer hätte das gedacht!), doch das Hüten liegt
dem Bobtail nicht so wie das Bewachen und Treiben.
Glücklicherweise gibt
es in Großbritannien Farmer und private Liebhaber der Rasse, die sich
dafür einsetzen, dass die Arbeitstauglichkeit erhalten bleibt. Doch wie lange wird
es den arbeitenden Beardie noch geben? Immer mehr Farmer ersetzen ihre Hunde
durch Quads, kleine geländetaugliche Fahrzeuge. Zum Spaß wird sich kein Farmer
Arbeitshunde halten (abgesehen von denen, die Hütewettbewerbe lieben) – und
ein Hund, der sich seinen Unterhalt nicht verdient, ist auf Farmen auch heute
noch überflüssig. Beardie in seinem
Element: Schafe hüten |
In der Beschäftigung selbst Vergnügen zu finden – dies ist das Geheimnis des
Glücklichen! Sophie Mereau ___________________________________ |
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Interesse an Schafen
Noch um 1990 sagte
man, es sei eigentlich erstaunlich, wie sehr die Hunde noch an Schafen
interessiert seien, obwohl schon damals die wenigsten Beardies aus Arbeitslinien
stammten. Man züchtete etwa seit den 1970er-Jahren verstärkt das überlange
Fell. Die Hüteeigenschaften wurden dabei vernachlässigt, weil man glaubte,
bei Familienhunden auf die Qualitäten der Arbeitsbeardies verzichten zu
können. In der „Beardie Revue“
fanden wir die Auswertung eines Hütetests vom Juli 2003: Von 16 teilnehmenden
Beardies
Bei gerade mal 16
Teilnehmern sind diese Zahlen sicher nicht repräsentativ für die Rasse, doch
sie zeigen deutlich die Tendenz: Die Arbeitseigenschaften der Beardies gehen
verloren, wenn „auf Schönheit“ gezüchtet wird. Wundert uns das? Nein, das ist ganz
normal. Dieser Hütetest liegt
schon einige Jahre zurück. Der überzüchtete
Beardie dürfte inzwischen noch mehr zum „Sofahund“ geworden sein.
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Arbeitstauglich ist ein Beardie nur mit gutem Körperbau und gemäßigtem Fell (hier mit anderen Hütehunden). Mit bodenlangem „Mantel“ würde ihn jeder Schäfer
ablehnen.
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Wo gibt es noch Arbeitsbeardies?
Nur noch wenige
Idealisten wollen die Arbeitsbeardies erhalten. Das ist sehr
lobenswert – die Umsetzung ist es allerdings weniger … Den Trend zum
angeblichen Arbeitsbeardie sehen wir mit Sorge. · Nicht immer (um es
mal vorsichtig auszudrücken) wird Wert auf einen ordentlichen Stammbaum
gelegt, d. h.: Es fließen leider auch überzüchtete Hunde mit zu viel Fell in
die Zucht – „Hauptsache, der Hund kann hüten“ (Aussage eines Züchters). · Beardies, die
Ähnlichkeit mit Border Collies haben, sind keine standardgerechten Bearded
Colies. Die Rassebegründerin hätte sie nicht in die Zucht gehen lassen,
solche „Borderbeardies“ wurden als „pets“ verkauft. · Dass ein Hund ab und
zu ein paar Schafe zu sehen bekommt, sagt nichts über seine Gesundheit aus
(wir hörten von Morbus Addison und CEA). · Auch auf das Wesen
kommt es an: Hunde, die Artgenossen „niedermachen“, entsprechen nicht dem
Rassestandard. „Arbeitsbeardie“ als
Marketing-Strategie? Nein danke! Auch für diese Bearded Collies gilt: Dem Rassestandard sollen sie entsprechen, und gesund
sollen sie sein. Wir können nur
hoffen, dass Welpeninteressenten sich gut informieren und dass möglichst
wenige von ihnen auf Augenwischerei hereinfallen. Wenn zum Beispiel ein
plattfüßiger Hund gezeigt wird, der mit gekrümmtem Rücken hütet, sollte man
sich fragen, ob das gesund sein kann – und ob man wirklich Nachwuchs von
solch einem Hund haben möchte. In Großbritannien gibt es die Working Bearded Collie Society. In Wales werden seit 2001 in der Zuchtstätte „Brambledale“ – bisher einzigartig
– Familienhunde mit Arbeitsbeardie-Ahnen gezüchtet, zwar gesundheitlich sehr
gut untersucht, doch leider mit Merle-Gen. In Schottland kennen wir eine Arbeitslinie, die wir nicht
vorbehaltlos empfehlen können. In Europa gibt es die WBCE (Working
Bearded Collies Europe) mit ihren Länderorganisationen. In Deutschland finden sich unter den Züchtern ein paar
Idealisten, die den Wert von Arbeitsbeardies erkannt und solche Hunde in die
Zucht genommen haben. Leider war auch schon mindestens ein erbkranker Hund
dabei (CEA-Träger: Augenkrankheit), der nicht in die Zucht gehört hätte. In Amerika können Beardies Hüteprüfungen
(Herding Instinct Tests) ablegen und ein „Herding
Certificate“ erwerben. Mehr darüber findet sich in den amerikanischen
Beardie-Büchern. Der Bearded Collie Club of America hat sogar einen Herding Standard. Wir hörten allerdings
auch von einer amerikanischen „Hüteprüfung“, bei der die Schafe sich in einem
Areal befanden, das kaum größer war als ein durschnittliches Wohnzimmer. Die heutigen
Arbeitsbeardies aus Großbritannien bzw. deren Nachkommen haben meist keine
Papiere vom britischen Kennel Club – genau wie die Hunde, die Mrs Willison mühsam
in ganz Großbritannien zusammensuchte, als sie in den 1940er Jahren begann,
die Rasse neu aufzubauen. Oder diese Hunde haben „nur“ Arbeitspapiere –
Abstammungsnachweise, die in Wahrheit Gold wert sind. Allerdings ist auch
hier nicht alles Gold, was glänzt. Einige dieser Hunde haben wenig Substanz
(wirken mager), einen nicht standardgemäßen Körperbau oder haben Ähnlichkeit
mit Border Collies, wie schon in den Anfängen der Zucht (Mrs Willison
sortierte solche Hunde aus). Ein neuer Aufbau der
Rasse kann mit ausgewählten Hunden noch einmal gelingen, sogar mit nur 3
nicht verwandten Tieren, wie es in dem Buch „Hundezucht 2000“ heißt, das der
Genetiker Hellmuth Wachtel verfasste. Mit den heutigen Kommunikationsmitteln
dürften es die Züchter wesentlich leichter haben, gute Arbeitsbeardies zu
finden, als kurz nach dem 2. Weltkrieg die Bewahrerin der Rasse. Es spricht
für die Farmer, die noch gute Hunde haben und meist nur für den Eigenbedarf
züchten, dass sie solche wertvollen Hunde nicht in die Hände von Züchtern
geben, die die Rasse verdorben haben und denen mehr an Ausstellungen als an
der Gesundheit und der Intelligenz der Hunde liegt. Dafür sind den Farmern
ihre Hunde viel zu kostbar. Wir stimmen diesen Idealisten zu, denn ein
Vermischen mit überzüchteten Bearded Collies würde das Elend der Rasse nur
verlängern. |
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Ein Arbeitsbeardie im Wohnzimmer?
Ist der
Arbeitsbeardie der einzig wahre Beardie? Im Grunde ja. Auch die Bearded
Collies von Mrs Willison waren einst Arbeitshunde, die von Farmen stammten. Als Familienhund, der
wenig gefordert und gefördert wird (vor allem in der Stadt), wird sich ein
echter (!) Arbeitsbeardie allerdings ebenso wenig wohlfühlen wie ein Schlittenhund,
ein Herdenschutzhund oder auch nur ein Jagdhund aus einer Leistungszucht.
Einen Arbeitsbeardie zu „Hausarrest“ zu verurteilen, das wäre Tierquälerei,
körperlich betrachtet; denn er braucht viel Bewegung und ein Leben in der
Natur. Auch geistig wäre dieser intelligente Hund ohne geeignete Anregungen
(z. B. Clickertraining) nicht ausgelastet. Trotzdem sind
Arbeitsbeardies nach wie vor wunderbare Familienhunde. Sie leben auf den
britischen Farmen eng mit der Familie zusammen, müssen also in ihrer Freizeit
ruhig, ausgeglichen und kinderfreundlich sein (vgl. Beardie Revue, Ausgabe
Juni 2008). Sie brauchen durchaus nicht ständig auf Trab gehalten zu werden.
Ein Hund, der ständig im Stress ist, kann sich nicht regenerieren!
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Wie gesagt, im obigen
Beispiel stammte nur die Mutterhündin aus einer Arbeitslinie (nicht aus
Großbritannien, also noch nicht einmal ein besonders uriger Hund). Trotzdem
kann schon solch ein Hund sehr viel von seinem Besitzer fordern. Nur ein erfahrener
Beardie-Kenner kommt mit einem Powerhund zurecht und kann ihn auslasten.
Normale Hundehalter und erst recht Anfänger oder gemütliche Rentner sind sicherlich
überfordert – was nicht heißen soll, dass alle Nachkommen von Arbeitshunden
derart temperamentvoll wären; es gibt in jedem Wurf auch ruhigere Welpen. Im felsigen schottischen Hochland mussten die Hütehunde
trittsicher sein. Diese Eigenschaft wurde lange von Beardie-Besitzern
gelobt. Überzüchtete Hunde mit durchgetretenen Pfoten (schwachen Muskeln, Sehnen, Bändern) sind dazu nicht mehr fähig.
Auch heute noch „ein Hund für alle Fälle“?
Der echte,
standardgemäße Beardie vom alten Typ – robust und wesensfest – ist auch heute
noch in den verschiedensten Bereichen einsetzbar, von Agility bis zu
Mantrailing und Rettungshundeausbildung. Der überzüchtete
Beardie dagegen hält diese Ansprüche oft nicht aus, weder körperlich
(Körperbaufehler, mangelnde Vitalität, organische Leiden) noch vom Wesen her
(Ängstlichkeit). Viele Beardies sind so hyperaktiv, dass sie beim
Agility-Training nonstop bellen und darum von den Trainern nicht gern gesehen
werden. Bei der Rettungshundearbeit kann man keine „zitternden Wollhaufen“
gebrauchen; bestenfalls wird das Fell drastisch gekürzt, da sich niemand
damit aufhalten kann, im Einsatz dem Hund allerlei Gestrüpp aus dem Fell zu
pulen. Ehe man sich allerdings zu solch einer Aufgabe für seinen Hund
entschließt, sollte man wissen: Rettungshundearbeit kann für den Hund sehr
gefährlich werden! Selten wird man heute noch einen
Beardie finden, der so ruhig am Platz bleibt, wenn
neugierige Rinder kommen. |
Familienbeardie |